Hühneraugen lügen nicht

Vom süßen Leben unserer Hühner

Natürlich hat man uns belächelt, Witze gemacht und in unserer Gegenwart lautstark Geflügelrezepte ausgetauscht.
Doch als wir voller Stolz das erste Ei präsentierten, wurden die hämischen Rufe leiser. Und wer unseren Welsumer Hühnern mal tief in die Augen gesehen hat, der weiß: Hühneraugen lügen nicht.
Seien Sie ehrlich, auch Sie jagen vor den Augen ihrer Kollegen unschuldige Moorhühner. Beim Anblick eines prächtigen "Mistkratzers" denken Sie an "provenzalisches Hähnchenbrustfilet in Thymian-
sauce". Und beim Eierkauf im Supermarkt lassen Sie sich von der bunten Blümchenwiese auf der Verpackung immer wieder gerne
die heile Welt vorgaukeln.

Uns ging es ja nicht anders, bis zu dem Tage, als unsere Hühner am Karfreitag 2000 aus dem Ei schlüften und in unser

Hühnerhaus einzogen. Wir wollen Ihnen ein Leben in Glückseligkeit schenken - natürlich nicht ohne dafür eine täglich frische Gegenleistung zu verlangen.
Das Ganze war von langer Hand geplant. Ein schönes Hühnerhaus wurde mit fachkundiger Hilfe gebaut, Nester angelegt, das Dach begrünt, Futterschalen (nur kein Plastik)  und die obligatorische Sitzstange für das Aufbaumen am Abend. Soweit so einfach.
Erst bei der Auswahl der Hühnerrasse wurde es schwierig. Die Buchhändlerin fand in erster Linie Rezeptsammlungen und Jägerlatein, und auch im Internet gab's beim Stichwort "Huhn" nur die brandneue Version der hinterhältigen Lizenz zum Töten oder die "aktuelle Software für Legehennenhalter" zu bestellen. Fündig wurden wir dann auf der westfälischen Landesgeflügelausstellung in Münster. Fachliteratur, Zubehör und alle erdenklichen Hühnerrassen erfüllten die Halle Münsterland.
Viele Fragen bewegten uns wie: Werden sie das mit

Garnelenschwänzen verfeinerte Körnerfutter auch wirklich anrühren? Wird es nachts im Hühnerhaus nicht zu kalt sein? Können Füchse Hühnerklappen öffnen? Und wann gibt es das erste Ei vom eigenen Huhn?
Auch der Gesprächsstoff geht Hühnerhaltern nie aus. Kostprobe gefällig? "Was machen die Hühner?" "Hatte zwei Windeier im letzten Monat!" "Könnte am Futter liegen. Meine kriegen von Kartoffelschalen immer Durchfall!" "Ja, Brot macht fett, aber Mais wärmt!" "Schönes Wetter heute, was?" "Ja, aber wenn die Hühner den Schwanz hängen lassen kommt Regen!"
Kinderkram! Doch für den Hühnerlaien sind dies durchaus gewichtige Fragen. Alle Sorgen sind vergessen, wenn man mit gekochten Nudeln das Hühnerhaus betritt. Die Welsumer Hühner rennen dann rekordverdächtig und machen Luftsprünge um die Hand mit den Nudeln zu erreichen.

Sie vertikutieren stundenlang den Rasen, graben Beete um,

legen jeden Tag ein prachtvolles Ei und hören, manchmal jedenfalls, auf bloßes Pfeifen oder Zurufen. Ihre Blicke sind hypnotisch, die Gefieder glänzen wie Speckschwarten und ein schief gelegter Kopf macht manch abgefressene Primel vergessen. Und wenn alle abends zusammen auf der Stange sitzen und zufrieden gackern, ist die Welt für den Hühnerfreund wieder in Ordnung.
Okay, die Sache mit dem gegrillten Hähnchen in süß-sauerer Sauce letzte Woche ist unverzeihlich, aber ein Ei aus dem Supermarkt rühren wir nie wieder an!